Unternehmensethik

Wirtschaftsethik ist nicht bloß, wie häufig ganz selbstverständlich angenommen wird, Unternehmensethik, sondern die ethisch-kritische Durchdringung des Wirtschaftens in all seinen Dimensionen. Doch auch und gerade aus einer Position, die die Überhöhung der Marktlogik zum Prinzip Markt ablehnt (aber selbstverständlich nicht den Markt), bilden Unternehmen gewichtige und ethisch unverzichtbare Akteure der »Menschlichkeit«, d. h. der Fairness, Verantwortbarkeit und Sinnhaftigkeit des Wirtschaftens. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sich der Leistungserstellungsprozess im Wesentlichen in Unternehmen abspielt.

Die gegenwärtige Unternehmenslandschaft ist durch zwei widersprüchliche Entwicklungstendenzen charakterisiert:

  • Zum einen ist eine Radikalisierung im Management festzustellen, die sich als managerial erzwungene Ökonomisierung der Organisationskulturen fassen lässt.
  • Zum anderen reklamiert eine wachsende Zahl von Unternehmen unter Stichworten wie »CSR« (Corporate Social Responsibity), »Verantwortung« oder »Nachhaltigkeit« die Legitimität und Verantwortbarkeit ihres Tuns. Diese Entwicklung steht in der Spannung zwischen einem instrumentalistischen Verständnis von »CSR« einerseits – hier wird sozusagen auch noch »Ethik« ökonomisiert –, wahrhaftiger Unternehmensverantwortung andererseits. Diese wird, jedenfalls dem eigenen Anspruch nach, insbesondere durch die Bewegung der Sozialunternehmen charakterisiert.

Nach wie vor ist die unternehmensethische Diskussion vom instrumentalistischen Suggestionen und dem Glauben an den sog. »Business Case for CSR« durchdrungen und weitgehend bestimmt. Darum besteht die vorrangige Aufgabe einer nicht dem Ökonomismus verfallenen bzw. auf ihn nicht hereinfallenden Unternehmensethik darin, den Instrumentalismus zurückzuweisen. Erst auf dieser Basis eröffnet sich der Raum für eine praktische Unternehmensethik, die den Namen verdient. Diese birgt zugleich die begründbare Chance verdienter Reputation und einem darauf basierenden (maßvollen) Unternehmenserfolg.

 


Als Grundlagentexte im Themenbereich »Unternehmensethik« werden empfohlen:

Weitere Beiträge:

  • Qualität, Gewinnmaximierung und Markt. Wider die Eliminierung rentabilitätsfremder Gesichtspunkte aus dem Marktgeschehen, in: Kilian, U. (Hrsg.), Leben // Gestalten. In Zeiten endloser Krisen, Berlin 2013, S. 107-121
  • Thielemann, U.: Alles nur Scheinethik?, NZZ-online, 22. März 2010.
  • Thielemann, U.: Die Macht des Kapitals und die Ohnmacht der Moral, NZZ-online, 4. April 2010.
  • Thielemann, U.: Integrität kommt vor dem Erfolg, Harvard Business Manager, November 2007, S. 118.
  • Thielemann, U.: Der Fall Enron(s). Ein Anlass, über den wirtschaftsethischen Status von Managementintegrität nachzudenken, in: Forum Wirtschaftsethik, Nr. 2, 2005, S. 37–45.
  • Thielemann, U.: »Der Gewinn allein kann nicht die Massgabe sein«, context. Das Magazin für Bildung und Beruf (Kaufmännischer Verband Schweiz), 29. März 2010, Heft 3, S. 12–15.
  • Thielemann, U.: Gefallene Stars. Ein Gespräch über die Gier der Banker und eine neue Moral, fluter.de. Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung, 16. Februar 2009.
  • Thielemann, U.: Neue Unternehmensethik, YOUROPE, Arte, 16. Mai 2010, ebenfalls ARD, Europamagazin, 24. Juli 2010, 16:30 (Fernsehbeitrag).
  • Thielemann, U.: Wem dient das Management letztlich?, Gute Unternehmensführung zwischen Geschäftsintegrität und ökonomischer Radikalität, Forum der Betriebsräte der Deutschen Telekom AG, Berlin, 28. November 2007 (Vortrag)
  • Thielemann, U.: Das Ende des Neoliberalismus? (Beitrag zur neuen Radikalität im Management, 2005).

 

 


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